Dieser Whisky ist zu teuer!

…oder: Die Krux mit der persönlichen Preisgrenze

Sollten Sie auch noch zu den Menschen gehören, die keine Platin-VISA-Karte haben, ja sogar für ihr Geld arbeiten müssen, dann wird dieser Artikel sie bestimmt interessieren. Es geht um die individuelle Preisobergrenze für eine Flasche Whisky.

Immer wieder erfahre ich in Gesprächen mit Whiskytrinkern, dass sie eine gewisse Obergrenze haben, was den Preis der von ihnen gekauften Whiskyflaschen angeht. Diese rangiert je nach Erfahrung gewöhnlich zwischen 50 und 300 Euro.

Im ersten Moment erscheint ein solches Limit durchaus sinnvoll, denn es handelt sich schließlich nur um Schnaps – wie kann überhaupt eine Flasche so viel kosten. Und so kauft man sich lieber vier Flaschen zu 50 Euro anstatt eine für das Vierfache.

Auch ich hatte mir diese Obergrenze zu Beginn meiner Zeit als Whiskygenießer gesetzt – und diese kontinuierlich nach oben verschoben, je mehr Whiskys ich kennenlernte. Denn es gibt eben diese ganz besonderen Tropfen, die bewusstseinserweiternde Fähigkeiten haben und alle zuvor getrunkenen Whiskys in Frage stellen. Man lernt diese Malts auch erst durch Trinkerfahrung zu schätzen, weshalb die kontinuierliche Verschiebung nach oben eine natürliche Entwicklung darstellt.

Viele machen einen Denkfehler!

Dann passiert aber bei vielen Whiskyfreunden ein entscheidender Denkfehler. Man muss sich die Situation folgendermaßen vorstellen: Ein Tasting-Teilnehmer verliebt sich in einen der ausgeschenkten Whiskys und würde ihn gerne erstehen, weil er noch nie etwas Besseres getrunken habe. Als er jedoch den Preis der Flasche erfährt, der beispielsweise bei 150 Euro liegt, zuckt er zusammen und sagt kategorisch: „Nein, das liegt über meinem persönlichen Limit! Leider kann ich mir diese Traumflasche nicht leisten.“ Am gleichen Abend kauft er sich aber eine oder zwei Flaschen, die innerhalb seines Preissegmentes liegen und geschmacklich „recht gut“ waren.

Rein wirtschaftlich betrachtet hat der Mann recht, aber ist Whiskygenuss nicht mehr? Entgeht ihm da nichts? Will man denn bei jedem Schluck wissen, was er kostet? Manche sagen: „Zu teurer Whisky schmeckt mir nicht!“ Ich finde, diese Aussage fußt auf einer falschen Sicht. Warum muss denn ein sinnlicher Genuss durch ständige Gedanken an den Preis zerstört werden? Wer fährt schon Achterbahn und denkt während der Fahrt stets an die 5 Euro Fahrtkosten anstatt an den Thrill der Fahrt? Aber dies ist wohl eine Typfrage. Ich kenne auch Leute, die die Speisekarte nach Kosten-Nutzen durchgehen, nicht nach ihrem momentanen Geschmack. Solche Zeitgenossen sparen zwar Geld, vermissen aber das Wesentliche: den Genuss: Sie entwickeln sich aufgrund solcher Preisdogmen nicht weiter und verpassen höchste Gaumenfreuden.

Das Bessere ist der Feind des Guten…

Ich kann ihnen nur den Tipp geben, sich gelegentlich etwas zu gönnen. Denn das Bessere ist der Feind des Guten und Genussmomente sind in unserer hektischen Zeit selten geworden. Eine besondere Flasche Whisky hält sich meist doch über ein Jahr und gibt stets einen Anlass zur Freude im grauen Alltag. Schlagen sie bei ihrer Traumflasche zu, sie werden es nicht bereuen, es sei denn, sie denken beim Trinken stets an den Preis!

Hierbei sei erwähnt dass meine Äußerungen nicht auf die preistreiberischen Ausnahmen der Whiskyindustrie, also ungerechtfertigt hohe Preise, zutreffen. Probieren sie stets, bevor sie kaufen!

Angenommen sie haben eine Abfüllung entdeckt, die ihr Trinkerherz zum Klingen bringt, aber etwas mehr als ihre bisher gekauften Flaschen kostet. Wollen sie sich dieses Elixier wirklich entgehen lassen, dafür aber zwei „relativ gute“ andere Flaschen austrinken? Und was heißt dabei „relativ“? – verglichen mit dem Preis? Beeinflusst dabei der Schnäppchengedanke den  Whiskygeschmack positiv mit? Dann würde ja der relativ günstige Ben Bracken vom Discounter einen wunderbaren Dram abgeben.

Wenn ich gefragt werde, ob ein Brora 30y.o. seine 300.- oder ein Lagavulin 21y.o. die 250.- Euro wert sind, muss ich klar „ja“ sagen. Dasselbe gilt beispielsweise für einen Auchentoshan 1965 aus dem Einzelfass oder für so viele gesuchte Raritäten, die inzwischen zu Recht ihre hohen Preise erzielen.

Mein Fazit: Wer Genuss kategorisch in Relation zum Preis setzt, verpasst die besten Whiskys und den ureigensten Sinn dieser Beschäftigung!

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