Bis vor kurzem: Mauerblümchen!
Beginnen möchte ich diese Reihe mit einem meiner Lieblingswhiskys: den BenRiach-Abfüllungen aus den 1960ies und 1970ies, unabhängig vom Abfüller oder Jahrgang – reine flüssige Magie. Jedoch sind auch jüngere Abfüllungen der Brennerei gelungen.
Es war bis vor wenigen Jahren ein wohl gehütetes Geheimnis, welches Potential und welche Vielseitigkeit in dieser Speyside-Brennerei steckt. Die meisten Malttrinker kannten nur den eher schwachen 10y.o. als Originalabfüllung.
Doch seitdem Billy Walker, der in Tasting-Sessions gerne das Gespräch mit seiner Frau nach dem Brennereierwerb erzählt („Honey, guess what I bought last night in the pub…a distillery!), am Steuer von BenRiach sitzt, geht’s ab! Mit einem breiten Portfolio zeigt er heute die vielen Facetten dieses Whiskys, die man so wohl nie erwartet hätte. Ich kenne kaum einen Aficionado, der BenRiach nicht in irgendeiner Form schätzt.
Persönliche Bekanntschaft mit BenRiachs Exzellenz machte ich 2003 durch eine Abfüllung aus Duncan Taylor’s Peerless-Collection aus dem Jahr 1968. Dieser Dram, der im Tasting hervorragend ankam, verblüffte durch seine Ähnlichkeit mit den fantastischen alten Bowmores aus der gleichen Zeit. Beinahe hätten wir diesen göttlichen Nektar für eine Verwechslung in der Abfüllhalle gehalten, wenn da nicht die feinen Ansätze seiner Speyside-Provenienz gewesen wären. Doch ein paar Zweifel blieben. Diese wurden dann aber durch eine 1975er Abfüllung des Scotch Single Malt Circles (a.k.a. von „Maggie“) ausgeräumt. Was für ein Kracher mit ähnlichem Profil!
Drams von vor 1980: Blitzschnell ausverkauft!
Heutzutage brauchen wir uns über einen Mangel an BenRiach-Whiskys – Gott sei Dank – nicht zu beklagen, doch die Drams von vor 1980 sind meist blitzschnell ausverkauft. Und das hat seinen Grund: Die reifen BenRiachs weisen größtenteils eine Palette tropischer Früchte auf, die in ihrer Konzentration nahezu kitschig wirkt, ja fast Traubenzucker-artig. Man findet Ananas, Mandarinen, Mangos, viel Grapefruit, Passionsfrucht, Guave, Zitronen und auch heimische Äpfel, gelegentlich Menthol und Orangenlikör. Dazu treten deutliche Honignoten, Vanille, Kokosnuss, Karamell, Eichenholz mit einem Touch Zimt oder orientalischer Würze und Torf (je nach Abfüllung dezent oder richtig deutlich), der gut eingefügt ist. Es erfreut den Gaumen, wenn diese Komplexität meist noch wunderbar harmonisch und frisch anmutet, dazu fein ziseliert und dennoch fett wie ein Müller-Catoir-Riesling aus der Pfalz.
Everybody’s Darlings!
Zu „Everybody’s Darling“ werden BenRiachs dieser Zeit auch dadurch, dass sowohl Peatfreaks, Bourbonfrucht-Liebhaber als auch Sherry-Fans in verschiedenen Abfüllungen ihr Glück finden können. Beispielsweise kam 2010 eine Originalabfüllung aus 1977 mit Pedro-Ximenez-Finsh (Fass 1003) heraus, die kaum von einem Sherry-Glendronach zu unterscheiden ist: anderes Profil (rote und dunkle Früche in dickem Sherry, Beef-Jerky, dunkles Kakaopulver, Espresso, Tabak, Kräuter) aber nicht weniger lecker! Der 1970er PX-Finish (Fass 1035) ist in diesem Kontext ebenfalls ein heißer Tipp mit noch höherer Komplexität. Auch verschiedene Fassreifungen stehen diesen BenRiachs gut, wie z.B. in Portwein-, Tokajer- oder sogar in frischen Eichenholzfässern („Virgin Oak“).
Einige behaupten nun, der 1976er Jahrgang sei der beste. Zugegeben, diese BenRiachs sind fast alle großartig, aber auch die anderen Jahrgänge können mithalten. Meine persönliche Lieblingsabfüllung stammt aus dem Jahr 1968 (Duncan Taylor’s Peerless Collection: 11.1968 – 07.2006, 37 y.o., 262 Flaschen mit 48,6%) – nahe am perfekten Whisky.